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Unser Leben mit Epilepsie

21. April 2016 Sylvi 3Comment

Unsere Tochter hat Epilepsie!

Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen, wie ich mich gefühlt habe, als der Verdacht Gewissheit wurde. Wie quasi der Boden unter meinen Füßen zusammenbrach und die Angst um sie mich quälte. Für Außenstehende, die keine Epileptiker im Umfeld haben,  ist diese Krankheit wenig fassbar. Die meistens denken bei Epilepsie an große Anfälle, doch Epilepsie kann viele Ausprägungen haben. Auch wir dachten immer an diese großen Anfälle und nahmen deshalb die Auffälligkeiten, die unsere Tochter zeigte zunächst nicht wirklich ernst. Irgendwann jedoch beschlich mich der Verdacht, dass etwas nicht stimmte. Man muss dazu sagen, dass unsere Tochter in Anführungszeichen „nur“ an einer Absence-Epilepsie leidet. Die Symptome sind in diesem Falle eben keine großen Anfälle, die der Laie gemeinhin mit der Epilepsie verbindet. Unsere Tochter, so berichteten wir es den Ärzten, träumte. Sie hatte quasi Tagträume und deshalb nahmen wir es zu Beginn auch noch nicht so ernst. Wenn wir sie fragten, ob sie sich an diese 5-10 Sekunden in denen sie in die Luft starrte, erinnere, dann sagte sie meist, dass sie von Feen oder Elfen träume. Mit der Zeit kamen diese „Tagträume“ immer gehäufter vor und leider auch in den ungünstigsten Gelegenheiten.  Zum Beispiel beim Überqueren der Straße oder wenn sie die Treppe heruntergehen wollte. Das kann natürlich schnell gefährlich werden, doch jedesmal, wenn wir sie darauf ansprachen, erzählte sie, dass sie eben an irgendetwas anderes gedacht habe. Heute wissen wir, dass dem nicht so war, sondern, dass sie selbst einfach Angst hatte, aber einen Arztbesuch verhindern wollte. Als wir kurz vor Beginn des neuen Schuljahres einen Zettel für den Schwimmunterricht ausfüllen mussten und bestätigen sollten, dass wir bestimmte Krankheiten ausschließen können, zogen wir die Notbremse. Das war uns einfach zu unsicher, denn sicher konnten wir nicht sein. Ich hatte viel gelesen und war bei meinen Recherchen immer wieder auf Epilepsie gestoßen. Ein Termin beim Neurologen brachte dann die Gewissheit. Zunächst waren wir am Boden zerstört, das lag unter anderem auch an der ziemlich schlechten Betreuung durch den behandelnden Arzt. Nur wenige Mediziner haben die Gabe mit genügend Empathie den Betroffenen und ihren Angehörigen beizustehen. Im Gegenteil: Wir durften uns knochentrocken sagen lassen: „Ihre Tochter hat Epilepsie. Das ist kein Weltuntergang, aber wenn sie das nicht behandeln lassen, muss ich das dem Jugendamt melden.“ Niemand von uns hatte gesagt, dass wir unsere Tochter nicht behandeln lassen wollten, schließlich hatten wir einen Arzt aufgesucht, weil wir uns um sie sorgten. Während ich dies hier gerade niederschreibe, steigen mir schon wieder die Tränen in die Augen. Für eine Mutter, die ihr Kind liebt, die sich sorgt, sind solche Worte derart verletzend, dafür gibt es keinen Ausdruck.

Es folgte ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt und dort, Gott sei Dank, auch eine tolle und angemessene Beratung durch die behandelnden Ärzte.  Die Diagnose ist mittlerweile 1,5 Jahre her. Heute waren wir wieder bei einem Kontrolltermin mit EEG. Auch, wenn das EEG unter entsprechenden Belastungen immer noch Auffälligkeiten zeigt, ist unsere Tochter seitdem sie auf ihr Medikament gut eingestellt ist, anfallsfrei. Im Grunde kann sie ihr Leben wie vorher leben und hat nur wenige Einschränkungen. Sie darf nur unter Aufsicht schwimmen und radfahren, nicht klettern und muss regelmäßig (morgens und abends) ihre Medikamente nehmen.

Wir leben mittlerweile gut mit der Krankheit. Für uns hat sie ihren Schrecken verloren und wir gehen offensiv damit um. Doch wir haben Glück gehabt, denn große Anfälle haben wir nie erleben müssen und sie sind auch bei der Form, die unsere Tochter hat, eher unwahrscheinlich. Zu uns hat ein Mediziner mal gesagt, man müsse sich die Form, an der unsere Tochter leidet, vorstellen, als würde das Gehirn ein Computer sein. Die Absence wäre quasi ein runterfahren und anschließender Neustart des Gehirns. Und am Ende beschreibt diese bildliche Darstellung auch am Besten diese „Tagträume“, die unsere Tochter hatte. Sie unterbrach in den allermeisten Fällen ihre Handlung und setzte diese nach kurzer Zeit wieder fort.

Die Heilungschancen stehen gut. Wir können guter Hoffnung sein, dass unsere Tochter in einigen Jahren als geheilt gilt, denn bei einem Großteil  der Patienten „wächst“ sich diese Form der Epilepsie nach einigen Jahren „aus“.

3 thoughts on “Unser Leben mit Epilepsie

  1. Liebe Sylvi, danke für diesen ehrlichen Bericht. Ich kann bei der Aussage des Arztes richtig mitfühlen und wäre richtig sauer geworden! Deiner Tochter alles Gute für ihre Zukunft!

  2. Danke, aber heute ist alles echt ok! Die Zeit der Ungewissheit damals war schlimm und die erste Zeit nach der Diagnose, weil man selbst erstmal damit zurecht kommen musste. Jetzt kann sie jedoch ein völlig normales Leben führen und ihr geht es gut. Und wenn es ihr gut geht, dann geht es auch mir gut!

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